Geschlechtergerechtigkeit muss mehr sein als eine bloße Idee. Die Sprache kann dabei helfen.
Ein Artikel aus Bayerische Rundschau von Dagmar Keis-Lechner, erschienen am 08.03.2023
„Gendern, oh Gott, dieser rotgrün versiffte Feministinnenquatsch verschandelt nur unsere deutsche Sprache!“ So höre ich es schon beim Schreiben in meinen Ohren klingeln. Und frage mich, was daran so schlimm sein soll. Ist es nur die Ästhetik? Oder geht es eigentlich um etwas ganz anderes?
Hätte man mich vor 40 Jahren gefragt, hätte ich auch nichts damit anzufangen gewusst. Durch Leistung bekommt jeder seinen Platz in der Gesellschaft. Jeder – aber auch jede?
Schnell wurde mir klar, dass die Welt doch anders gestrickt ist und dass Männer sich in einer „geschlossenen Benutzergruppe“ bewegen und vernetzen. Da passt ein gleichberechtigtes Frauenbild oder gar ein diverses Bild nicht dazu. Es geht um Macht und um Machterhalt. Macht, die Mann per Geschlecht bekommt – und mit der man sich dem sogenannten „schwachen Geschlecht“ überlegen fühlt. Sie schafft Strukturen, die Frauen anders werten.
Sehen wir uns unsere Arbeitswelt an: Wer arbeitet überwiegend im Sozialen, wer hat weniger Lohn, wer Altersarmut? Wir Frauen.
Wer macht Karriere, bekommt den Rücken freigehalten und macht Politik? Die Männer.
Wenn jemand eine Idee hat, ohne Sprachgebrauch oder ohne die Sprache zu verändern, das Bewusstsein zu ändern und Geschlechtergerechtigkeit auf allen Ebenen herzustellen, immer her damit. Aber solange die Machtverhältnisse so sind, wie sie sind, ist das Nutzen von Sprache, die auch das weibliche und das diverse Geschlecht berücksichtigt, aus meiner Sicht unabdingbar. Solange jede Idee immer nur eine Idee bleibt und nicht zum Ziel führt, sehe ich keinen anderen Weg, als durch Worte die Gedanken zu ändern und die Taten danach auszurichten.